Was ist eigentlich die Funktion der Bandscheibe?

Verfasst von Theresia Lechner
Bandscheibe mit Wirbelsäule gezeichnet

Spätestens bei der Diagnose eines Bandscheibenvorfalls ist es wichtig diese genialen Stoßdämpfer deiner Wirbelsäule einmal besser kennen zu lernen. Hast du dich vielleicht schon öfters gefragt, was genau die Funktion der Bandscheibe eigentlich ist? Dann bist du hier genau richtig. Was deine Bandscheiben mit Astronauten im All zu tun haben, wie sie mit Nährstoffen versorgt werden und wieso deine Bandscheiben extrem widerstandsfähig sind, erfährst du nämlich in diesem Artikel.

Viel mehr als eine Scheibe

Damit du dir einen groben Überblick verschaffen kannst, beginnen wir zunächst einmal mit dem Aufbau und der Lage deiner Bandscheiben. Deine Bandscheiben (oder auch Discus intervertebralis) liegen immer zwischen jeweils zwei benachbarten Wirbelkörpern deiner Wirbelsäule. Dabei ist ihre Hauptaufgabe Druck und Stöße, die zum Beispiel durch Laufen, Hüpfen oder einfache Bewegung entstehen, abzufangen. So schützen sie zum Beispiel auch dein Gehirn vor zu heftigen Erschütterungen. Entstehende Gewichte werden dabei gleichmäßig auf deine Wirbelsäule verteilt.

Zusätzlich ist es die Funktion der Bandscheibe zusammen mit den kleinen Wirbelgelenken eine geschmeidige und weiträumige Beweglichkeit deiner Wirbelsäule möglich zu machen [1,2].

Grundsätzlich kann man deine Bandscheibe in drei Bestandteile aufteilen [1]:

  • einen zentral gelegenen Gallertkern (Nucleus pulposus) (1*)
  • einen äußeren Faserring (Anulus fibrosus) (2*)
  • zwei knorpelige Deckplatten (3*)
Bestandteile der Bandscheibe: Gallertkern, Faserring und Knorpelplatte mit Wirbelkörper gezeichnet
Der Aufbau deiner Bandscheibe mit einen zentral gelegenen Gallertkern (Nucleus pulposus) (1*), einen äußeren Faserring (Anulus fibrosus) (2*), zwei knorpelige Deckplatten (3*)

Nicht nur die inneren Werte zählen

Der innere Kern deiner Bandscheibe besteht aus bis zu 85 % Wasser und hat eine schleimige und dickflüssige Konsistenz. Ein bisschen wie Gelantine.  Er hat also keine feste Form, sondern verändert sich je nach Druck. Das macht ihn zum idealen Puffer[3,4].

Bei 2-jährigen Kindern besteht der innere Kern der Bandscheibe tatsächlich aus Flüssigkeit, wie Wasser. Schneidet man den äußeren Faserring durch, fließt die Flüssigkeit heraus und man kann sie mit einem Tuch wegwischen. Mit voranschreitendem Alter wird der innere Kern aber immer fester und körniger [3,4].

Der äußere Faserring (Anulus fibrosus) deiner Bandscheiben besteht aus mehreren lamellenartigen Schichten, die sich in Kreisen um den inneren Kern (Nucleus pulposus) legen.  Innerhalb dieser Lamellen befinden sich wiederum viele starke bindegewebeartige Fasern, die in alle Richtungen ziehen [3,4].

Manchmal wirken auf unsere untere Lendenwirbelsäule bis zu 150 Kilogramm, zum Beispiel beim Niesen oder Husten [2].

Aber keine Angst. Dieses ausgetüftelte und extrem widerstandsfähige System kann selbst komplexen und starken Gewichten wunderbar standhalten [3,4]. Zusätzlich liegt die Bandscheibe wie ein Sandwich zwischen zwei knorpeligen Platten und den Knochen deiner Wirbelkörper [1].

Da springt nichts raus und verrutscht auch nichts

Anders wie bei einem Sandwich, ist die Bandscheibe jedoch unverrückbar mit den knorpeligen Deckplatten und den Knochen deiner Wirbelkörper verwachsen. Außerdem wird sie hinten und vorne auch noch mit entsprechenden Bändern verstärkt [2,3,4].

Also, hör nicht auf Menschen, die behaupten ihre Bandscheibe sei rausgesprungen oder verrutscht. Das ist nicht möglich. Deine Bandscheibe bleibt, wo sie ist.

Lendenwirbel mit Bandscheibe und Bändern und Fasern
Die Bandscheibe ist fest zwischen den Wirbelkörpern verankert durch Bänder und Fasern (blau)

Lediglich der äußere Faserring kann spröde werden und an Spannung verlieren. In manchen Fällen führt das dazu, dass die Flüssigkeit des inneren Kerns nach außen tritt. Das nennt man dann einen Bandscheibenvorfall (mehr dazu in dem hier verlinkten Artikel). Grundsätzlich ist deine Bandscheibe aber ein extrem stabiles System, das selbst stärksten Gewalteinwirkungen standhält. So kommt es bei solchen Gewalteinwirkungen von außen, eher zu einem Wirbelkörperbruch, als zu einer Verletzung der Bandscheibe [3].

Deine Bandscheiben haben Hunger

Anders als bei Muskeln, Knochen und anderem Bindegewebe fehlt dem inneren Kern der Bandscheibe ein eigenes Gefäßversorgungssystem. Natürlich braucht deine Bandscheibe trotzdem Nährstoffe und Sauerstoff. Außerdem muss produzierter Müll, wie zum Beispiel alte Zellen, wieder abtransportiert werden. Aus diesem Grund macht sich dein Körper zwei Mechanismen aus der Physik zu Nutzen: die Diffusion und die Osmose. Vereinfacht gesagt bedeutet das: es kommt zu einem druckabhängigen Flüssigkeitsaustausch zwischen deiner Bandscheibe und ihrer Umgebung [3,4].

Erfährt die Bandscheibe also Druck, zum Beispiel, wenn wir sitzen, dann wird Flüssigkeit aus der Bandscheibe herausgepresst: Abfallstoffe können abtransportiert werden. Umgekehrt, wenn die Bandscheiben entlastet werden, zum Beispiel im Liegen, füllt sich die Bandscheibe mit neuer Flüssigkeit und Nährstoffen[3,4].

Positionswechsel – der kleine Snack für deine Bandscheiben

Das heißt für eine gesunde und belastungsresistente Bandscheibe gibt es ein Zaubermittel: Bewegung. Immer wenn du deine Position wechselst, verändert sich der Druck auf deine Bandscheiben. Das heißt, wenn du dich bewegst, fütterst du deine Bandscheibe und trägst damit bei die wichtige Funktion der Bandscheibe aufrecht zu erhalten.

Lass deine Bandscheibe nicht verhungern, sondern achte auf viel Bewegung in deinem Alltag.

Spätestens nach 30 Minuten in einer Position muss unbedingt Bewegung her (komme zum Beispiel vom Sitzen zum Gehen). Und mindestens alle paar Minuten sollten kleine Mikrobewegungen stattfinden (verlagere zum Beispiel dein Gewicht von links nach rechts)[5,6].

Wenn es dir schwer fällt, diese Bewegungspausen und das aktive Sitzen wirklich umzusetzen, kannst du dir den 8clip ins Büro holen. Dieser Clip gibt dir Feedback darüber, wie viel du dich bewegst. Zusätzlich motiviert er dich, wenn du wieder zu lange in einer Position verharrst, durch feine Vibrationen zu mehr Bewegung.

Bandscheibenernährung

Was du in diesem Artikel über die Funktion der Bandscheibe erfahren hast

Du weißt jetzt, dass deine Bandscheiben weder verrutschen noch rausspringen können. Da sie nämlich fest durch Bänder und Bindegewebsfasern mit den Wirbelkörper verwachsen ist. Außerdem hast du erfahren, dass deine Bandscheibe im wahrsten Sinne des Wortes verhungert, wenn du sie nicht regelmäßig durch Bewegung fütterst. Hurra, du bist jetzt ein/e richtige/r Bandscheibenversteher/in.

Besser Wissen

Durch die Druckbelastungen des Alltags verliert jeder Mensch über den Tag verteilt durch die Flüssigkeitsabnahme seiner Bandscheiben ca. 1,7 cm an Körpergröße. Das ist unter anderem auch unserer Schwerkraft geschuldet. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Astronauten der Skylab 4 während ihres Aufenthalts im schwerelosen Raum über 4 cm an Körpergröße zugelegt haben. Dieser Effekt war aber sofort rückläufig, sobald die Astronauten wieder auf der Erde waren [4].

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

[1] Schünke, M. ; Schulte, E.; Schumacher,U.(2007): Prometheus. LernAtlas der Anatomie. 2. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

[2] Streeck, U.;  Focke, J.; Klimpel, L.; Noack, D. (2007): Manuelle Therapie und komplexe Rehabilitation. Band 2: Untere Körperregionen. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

[3] Frost, B.; Camarero-Espinosa, S.; Foster, E. (2019): Materials for the Spine: Anatomy, Problems, Solutions. In: materials(Basel). 12(2): 253. 

[4] Krämer, R.; Matussek, J.; Theodoridis, T. (2013): Bandscheibenbedingte Erkrankungen. Ursachen, Diagnose, Behandlung, Vorbeugung, Begutachtung. 6. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag.

[5] Sorensen, C.J.; Norton, B.J.; Callaghan, J.B.; Hwang, C.T.; Van Dillen, L.R.: Is lumbar lordosis related to low back pain development during prolonged standing? Man. Ther., 20 (2015): 553-557.

[6] Womersley, L.; May, S.: Sitting posture of subjects with postural backache. J. Manip. Physiol. Ther., 29 (2006): 213-218.