Faszientraining ist heut zu Tage in aller Munde und wird vielerorts empfohlen. Doch was genau sind eigentlich Faszien, was sind ihre Funktionen und was muss ich bezüglich meiner großen Rückenfaszie wissen?
Was die Welt im Innersten zusammenhält
Deine Faszien sind insofern sehr besonders, weil sie mit allen Systemen in deinem Körper in Kontakt stehen. Die Gesamtheit deiner Faszien bildet ein dreidimensionales Konstrukt aus verschiedensten Arten von Bindegewebe, welches deinen Körper durchdringt und deine körperlichen Bestandteile umhüllt. Du kannst sie dir vorstellen, wie die feine weiße Haut einer Orange. Dabei sind sie aber nicht nur einfache Hüllen für deine Organe und Muskeln, sondern besitzen selbst Fasern, die sich an- und entspannen können. Deine Faszien ermöglichen deinen Körpersystemen auf eine besondere Art und Weise miteinander zu kommunizieren und zu arbeiten. Die Struktur die deine Faszien aufweist, wird auch als Tensegrity Struktur bezeichnet und ähnelt dem Dach des berühmten Olympiastadions in München [1,2].

Olympiaverdächtiger Alleskönner Faszie?
Diese Tensegrity Struktur macht sie zu super Kräfteverteilern: Weil sich ihre Fasern in fast alle Richtungen bewegen, können Kräfte aus allen Richtungen aufgenommen und gleichmäßig verteilt werden. Außerdem schützen sie deine Muskeln und Blutgefäße vor Verletzungen. Und nicht zuletzt machen sie deine Bewegungen fließend und leicht. Wenn es um deine Rückenfaszien geht, gibt es eine wichtige und große: die Fascia Thoracolumbalis [3,4,5,6].

Nicht klein, aber fein
Deine große Rückenfaszie ist nur ungefähr 0,8 bis 1,3 Millimeter dick. Gleichzeitig ist sie aber extrem stabil und hält Zugbelastungen von bis zu 150 Kilogramm stand. Weil sie auf diese Kräfte ausgerichtet ist, ist sie höchstwahrscheinlich unterfordert mit der wenigen Belastung durch stundelanges Sitzen im Büro. Sie verklebt, verfilzt oder verdickt sich [7].
Eine Schicht deiner großen Rückenfaszie zieht sich über und durch deinen kompletten Rücken: von deinen hinteren Oberschenkeln, zum Steißbein und dann rauf bis zu deinem Kopf. Besonders kräftig ist sie im Bereich deiner unteren Lendenwirbelsäule, also einige Zentimeter über deiner Gesäßfalte. Zusätzlich ist sie mit deiner Bauchmuskulatur verbunden. Wenn du also deine Bauchmuskeln anspannst, dehnst du gleichzeitig deine Rückenfaszie. Aus diesem Grund, geht man davon aus, dass sich eine regelmäßig trainierte und genutzte Bauchmuskulatur schützend auf deinen Rücken auswirken kann [8].
Da deine große Rückenfaszie auch in die Gelenkkapseln der kleinen Wirbelgelenke einfließt und sich über dein Illiosakralgelenk (=Gelenk zwischen deinem Becken und deinem Kreuzbein) zieht, spielt sie eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der unteren Lendenwirbelsäule und des Illiosakralgelenks. Sie wirkt also wie ein stützendes Korsett [3,4,5,6].

Kann meine Rückenfaszie auch weh tun?
Man weiß heute, dass deine Faszien eine riesige Mengen an kleinen Sensoren enthält. Dein Fasziensystem ist damit eines der größten Sinnesorgane deines Körpers und hilft dir dich zu fühlen und wahrzunehmen. Ein Teil dieser Sensoren sind Schmerzrezeptoren. Deswegen geht man davon aus, dass eine Verletzung oder Irritation der Faszie zu Schmerzen im unteren Rücken führen kann. Diese Vermutung ist aber bis dato noch nicht ausreichend an Hand von wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Es bleibt also spannend [5,6,7].
Zusätzlich wird die Spannung deiner Faszien wahrscheinlich von deinem vegetativen Nervensystem beeinflusst. Aus diesem Grund wirkt sich Stress wahrscheinlich negativ auf deine Faszien aus: Die Spannung in deinen Faszien wird höher. Das konnte zumindest an Hand von Rattenfaszien und menschlichem Fasziengewebe in der Petrischale nachgewiesen werden [10].

Was braucht deine Rückenfaszie, damit es ihr gut geht?
Wenn du Probleme mit deinem Rücken hast oder dich sehr wenig bewegst, dann können zusätzliche Verbindungen, sogenannte Crosslinks, zwischen den Fasern deines Faszien Netzwerks ausgebildet werden. Diese schränken die Beweglichkeit des Gewebes ein und können beispielsweise Kapselschrumpfung oder Muskelverkürzungen verursachen [11].
Das heißt, deine Faszien müssen regelmäßig durch Bewegung und damit Zugbelastungen beansprucht werden, damit deine Bewegungen fließend und leicht bleiben [7].
Was du über deine große Rückenfaszie gelernt hast
Durch ihre Tensegrity Struktur, die wie die das Dach des Olympiastadions in München aufgebaut ist, sind deine Faszien super Kräfteverteiler und Beschützer deiner Gefäße. Weil deine Faszien soviele Rezeptoren enthalten, sind sie das größte Sinnesorgan im Körper und können höchstwahrscheinlich auch Schmerzen verursachen. Stress und Bewegungsmangel sind dabei Gift für deine Faszien.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.
[2] Shockett, S.; Findley, T. et al.(2019): Findings from the frontiers of fascia research: Insights into ‘inner space’ and implications for health. Journal of Bodywork and Movement Therapies, Volume 23, Issue 1, 101 – 107.
[3] Schleip, R.: Wissenschaftliche Grundlagen. Die Fascia thoracomlumbalis, in: Schleip, R; Findley, T; Chaitow, L.; Huijing,P. (Hrsg.): Lehrbuch Faszien. Grundlagen-Forschung-Behandlung, 1. Aufl., München: Elsevier, S. 115- 120
[4] Schleip, R.: Die Faszie als Kommunikationsorgan Kapitel. Das Fasciennetzwerk, in: Schleip, R; Findley, T; Chaitow, L.; Huijing,P. (Hrsg.): Lehrbuch Faszien. Grundlagen-Forschung-Behandlung, 1. Aufl., München: Elsevier, S. 115- 120
Und noch mehr Quellen
[7] Müller G: Update zur Thorakolumbalfaszie. Von der Anatomie zum spezifischen Training. pt 2016; 68 (11): 25-35.
[10] Schleip, R; Jäger, H. , Klinger, W.: Die Faszie lebt: wie Faszientonus und- struktur von Zellen moduliert werden , in: Schleip, R; Findley, T; Chaitow, L.; Huijing,P. (Hrsg.): Lehrbuch Faszien. Grundlagen-Forschung-Behandlung, 1. Aufl., München: Elsevier, S. 115- 120.
[11] Frans Van den Berg (2014): Die Physiologie der Faszie, in: Schleip, R; Findley, T; Chaitow, L.; Huijing,P. (Hrsg.): Lehrbuch Faszien. Grundlagen-Forschung-Behandlung, 1. Aufl., München: Elsevier, S. 110-114.